Wikipedia, Wissen und Objektivität
Nach der Lektüre einer Mail auf einer der attac-Listen bin ich einmal mehr an dem Punkt, mich gedanklich mit der Wirkung auf Wissen, Information, “Wahrheit” zu beschäftigen, die Wikipedia und artverwandte Projekte mit sich zu bringen vermögen.
Fest scheint zu stehen, daß mit zunehmender Popularität der offenen Internet-Enzyklopädie auch die Begehrlichkeiten wachsen, den Inhalt dort in einer Art und Weise zu manipulieren, die Grundsätzen wie etwa der in den Richlinien des Projektes geforderten Neutralität widersprechen. Irgendwo liegt es auch auf der Hand, die offene Idee von Wikipedia scheint solcherartige Unannehmlichkeiten ja geradezu heraufzubeschwören. Andererseits hat die Situation, so sie denn sinnvoll genug diskutiert wird und die Menschen die richtigen Schlüsse ziehen, auch ihr Gutes. Fakt ist nämlich auch: Dank der offenen Natur ist bei Wikipedia zumindest erkennbar (anhand etwa der Diskussionen um Artikel, die bisweilen reichlich kontrovers ausfallen), wenn in Artikeln und Beiträgen die Grundsätze, die für Wikipedia gelten (und insgesamt eigentlich für alle Arten von Nachrichten- und Informationssammlung gelten sollten) verletzt werden. Wie kann ich bei einem, nun, kommerziellen Lexikon nachvollziehen, ob Objektivität oder Neutralität im Standpunkt vorliegt? Kann ich aus dem Umstand, daß hier einen recht großen Euro-Betrag für den Erwerb der Wissens-Sammlung fällig wird, in irgendeiner Art und Weise auf die inhaltliche Qualität in dieser Hinsicht schließen? Sicherlich werden mir Verlage, Autoren, Redakteure nach Kräften versichern, daß zur Sicherung neutraler Artikel alles Menschenmögliche getan wird, aber habe ich (außer den Aussagen) tatsächliche Argumente dafür?
Eigentlich nicht. Hier gibt es keine Diskussion zu Artikeln, kann ich nicht die Meinung anderer Leser zu inhaltlich fragwürdigen Punkten einsehen, kann ich selbst auch nicht meine Gedanken hinterlegen zu Punkten, bei denen ich Ungenauigkeit oder fehlende Objektivität vermute. Hier kann ich, einmal mehr, nur nehmen, was mir gegeben wird, und dieses wahlweise akzeptieren oder ignorieren. Ist Wikipedia im Gros objektiver, neutraler, qualitativ besser? Ob der Größe dieses und vergleichbarer kommerzieller Projekte dürfte dies wohl kaum festzustellen sein, und vielleicht ist es auch nicht wichtig: Allein die Diskussion um die Probleme, die Wikipedia anzuziehen scheint, hilft, den Blick auf das Thema zu schärfen und die allgemeine Beurteilbarkeit der Qualität von Informationen zu diskutieren in einer Zeit, in der Manipulation und Beeinflussung offensichtlich zu neuer Blüte kommen. Und wenn man das an die Menschen herantragen, das Bewußtsein für die Wichtigkeit von Medienkompetenz zu stärken, die Leute verdrängen könnte aus der Rolle des sturen Konsumenten, den “tagesschau” und “heute” mit dem täglichen Nachrichtenbrei füttern – dann wäre auch schon einiges gewonnen…