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Net Label Music – der dritte Weg?

Als Musikfan im Jahre 2005 zu leben ist kein wirklich lustiges Unterfangen… Nicht, daß es an Möglichkeiten fehlen würde, sich mit qualitativ hochwertigen Veröffentlichungen zu versorgen – nein, dort ist meistens eher die knappe Kasse der limitierende Faktor. Viel schlimmer ist eigentlich die Diskussion, die spätestens mit der massiven Verbreitung des MP3-Audioformates, mit Napster und allen folgenden Tauschbörsen, mit kopiergeschützten CDs, DRM und dem allen begonnen hat…

Mittlerweile haben sich die Fronten scheinbar unüberwindlich verhärtet. Da existiert die Musik-Industrie und ihre zahlreichen Lobby-Verbände, die nicht müde werden, drakonische Strafen gegen jeden noch so kleinen Tauschbörsen – Nutzer einzufordern, der sich erdreistet, ein Werk von einem der vielen Plastik-“Stars” unserer Tage in digitaler Form zu “stehlen”… Da existieren Aktivisten wie der CCC, die angesichts dieser Situation zum Boykott der gesamten Musikindustrie aufrufen – ein vermutlich genauso sinnvolles wie aussichtsloses Unterfangen in Zeiten, in denen das Marketing der Industrie die Zielgruppe schon in jungen Jahren erfaßt.

Und irgendwo zwischendrin stehen die Musikfans, die eigentlich nur auf gute Veröffentlichungen hoffen, die für ihre Begeisterung teilweise schon von vornherein kriminalisiert werden, die feststellen, daß die gerade erworbene neue CD im Player des Auto-Radios oder des Notebooks dank Kopierschutz nur ein besseres Stück Kunststoff ist, die sich fürderhin mit DRM herumschlagen werden müssen und vielleicht eines Tages noch erleben, daß sich die Musiksammlung von heute auf morgen auflöst, weil die digital erworbenen Audio-Dateien mit Verfallsdatum versehen sind… Und dann stellt man sich unweigerlich die Frage: Muß das wirklich sein?

Antwort: Nein, muß es nicht. Und ich hätte das bis vor kurzem gar nicht gedacht. Wie dem auch sei: Über ein Interview mit dem genialen Experimental-Elektroniker Andrey Kiritschenko, welches ich vor einiger Zeit für den Medienkonverter machen durfte, bin ich eher beiläufig auf Thinner aufmerksam geworden, ein kleines Label, welches sich der Veröffentlichung elektronischer Musik, vorrangig Ambient-Sachen, housiges Zeugs und Minimal-Elektronik, verschrieben hat.

Eigentlich nicht spektakulär, derer gibt es viele. Das Interessante: In Zeiten, in denen die gesamte Musikbranche auf der Jagd nach dem schnellen Geld zu sein scheint, veröffentlichen bei Thinner Musiker wie deluge, Digitalverein, Benfay oder Paul Keely Werke, die man nicht nur “kostenlos herunterladen” und anhören kann, sondern die, darüber hinaus, unter einer Creative Commons-Lizenz stehen. Sprich: In diesem konkreten Fall ist dem interessierten Hörer, abgesehen von kommerzieller Verwertung oder Weiterbearbeitung, eigentlich alles erlaubt, was er mit dieser Musik vorhaben könnte (vermutlich dürfte dabei die Erlaubnis, die Songs nach Lust und Laune an Freunde und Bekannte zu verteilen, auf alle nur verfügbaren tragbaren Geräte zu überspielen und nach eigenem Gusto zu jeder Zeit anhören zu können, die wichtigste sein).

Ein wenig Suche zeigt schließlich: Thinner sind nicht die Einzigen. Im Gegenteil, das Label aus Mannheim ist mittlerweile nur eines von vielen, die über die Plattform Internet Musik für ein interessiertes Publikum anbieten – meistens elektronisch, oftmals experimentell, fast durchweg frei. An diesem Punkt steht die Frage: Warum die Musikindustrie boykottieren – wegen des bisschen Weichspüler-Pops? Angesichts dieser schieren Masse an Interessantem braucht den wohl wirklich niemand.

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19. August 2005

Filed under:

german , music