//log//

About

Lost in transit.
Moving.
Returning.
You're welcome.

Gutmenschen?

Ich bin vor ein paar Tagen auf einer Site (kein Link dorthin, weil ich Publicity dafür nicht für notwendig erachte) über den Begriff “Gutmensch” gestolpert, den ich zunächst nicht so recht einzuordnen vermochte. Mittlerweile habe ich aber einen relativ klaren Standpunkt dazu und finde, daß man in seriöser,sachlicher Kommunikation auf solche Begrifflichkeiten ganz gut verzichten kann, unabhängig davon, um welches Thema es konkret geht.

Nehmen wir Meinungsfreiheit als Beispiel: Meinungsfreiheit sollte nicht heißen, daß wir die Meinung anderer zwingend gutheißen oder teilen müssen. Aber wir sollten, wenn uns Meinungsfreiheit wichtig ist, in der Lage sein, von der unseren differierende Meinungen zu akzeptieren und sachlich behandeln zu können, ohne in Polemik oder Beleidigungen zu verfallen. Das ist scheinbar simpel, wenn die größtmögliche “Kluft” zwischen konträren Meinungen die Frage darstellt, ob es die besseren Burger bei McDonalds oder doch eher bei Burger King gibt. Aber genaugenommen richtig schwierig wird Meinungsfreiheit doch eigentlich erst in Situationen, in denen die Kluft deutlich größer ist, in denen die Meinung so diametral zur unseren ist, daß es uns Kraft kostet, diese zu akzeptieren, das Ideal der Meinungsfreiheit immer noch als gut und wichtig hochzuhalten.

Oder, anderes Beispiel, Religionsfreiheit: So etwas ist leicht in einem Land, in dem seit scheinbar endlosen Zeiten die “Kluft” zwischen Katholiken und Protestanten die größte Differenz ist, die diese Freiheit zu überbrücken hatte. Emotionalisiert betrachtet kann auch hier das Gewähren von Religionsfreiheit schwerfallen; wichtig hingegen scheint sie auch in diesem Kontext erst, wenn noch völlig andere, mit teilweise komplett anderen Ideen und Idealen ausgestattete Glaubensrichtung ins Spiel kommen, die zu akzeptieren uns kaum möglich scheint, insbesondere weil wir mutmaßen, daß sie uns “auch nicht” akzeptieren.

Was ist also richtig? Sollte man derartige Rechte, Freiheiten, … bedingungslos und konsequent verfolgen, unabhängig davon, wie groß die jeweilige “Kluft” ist? Oder sollte man dort Grenzen ziehen, innerhalb derer, die diese Werte gelten? Ist “Meinungsfreiheit” gegenüber jenen akzeptabel, die ihrerseits nicht viel davon halten? Prinzipiell kann und wird das jeder sehen, wie er/sie will, und (wiederum praktizierte Meinungsfreiheit) das scheint auch gut so.

Wo ist aber die Beziehung zum Begriff “Gutmensch”, auf dem ich eingangs herumgeritten bin? Soweit ich das bislang erleben durfte, kommt der Term “Gutmensch” in der großen Anzahl der Fälle von jenen, die letzerem Weg folgen – Freiheiten und Rechte nur innerhalb gewisser Grenzen, keinesfalls “absolut” oder “allgemeingültig” zu vertreten – was man, wie schon gesagt, akzeptieren kann, auch wenn man es nicht notwendigerweise teilt. Der Begriff “Gutmensch” zeigt hier die Grenzen dieser Rechte und Freiheiten auf: Der Punkt, an dem sachliche, inhaltliche Auseinandersetzung mit anderen Meinungen möglich ist, ist überschritten; ab hier setzt man lieber auf persönliche Angriffe, verläßt man das Gebiet der Ideale, die einem eigentlich selbst wichtig sind. Und statt objektiver, nüchterner Debatte definiert man sich einerseits selbst als höchsten moralischen / ethischen Maßstab, wirft genau dies aber jenen vor, die sich eben (aus welchen Gründen auch immer) entschieden haben, prinzipiell denselben Idealen zu folgen, diese aber eben vielleicht ein wenig weiter fassen, ein wenig absoluter auslegen.

Im Grunde genommen kann’s einem ja auch egal sein, kann man derartige Äußerungen wahlweise als Angriffe oder als Manipulationsversuche werten und locker ignorieren. Vielleicht könnte man jenen, der andere als “Gutmenschen” diffamiert, als Menschen bezeichnen, der Ideale nur so weit zu verfolgen gewillt ist, soweit dies leicht und bequem ist, und kein Verständnis für jene aufbringt, die dies auch noch dann versuchen, wenn es eben schwierig, anstrengend, belastend wird. Aber vielleicht ist das auch unbedeutend – schließlich muß man ja auch, wenn einem Meinungsfreiheit uneingeschränkt wichtig ist, nicht alle anderen Standpunkte teilen… Apropos andere Standpunkte: Hier nur zwei zum Thema bei alteeule und b.l.o.g. – die Menge der Kommentare in beiden Fällen spricht wohl für sich. Read for yourself…

12. Februar 2007

Filed under:

german , thoughts