Stadt, Raum, Geld
Besser spät als nie: Im Kunsthaus Dresden haben wir gestern, am exakt letzten Ausstellungstag, noch die Möglichkeit gehabt, uns “Wild Capital” – Wildes Kapital zu Gemüte zu führen, definitiv “food for thought” und nicht zuletzt aufgrund des ungemütlich heißen Sommerklimas selbst für KHD-Verhältnisse relativ schwere Angelegenheit. Und trotzdem interessant: In den Werken der Ausstellung und den Veranstaltung um diese herum sind Kunstschaffende, Kulturwissenschaftler und Soziologen der Frage nachgegangen, welche Veränderungen Städte und Stadträume erfahren auf dem Weg von sozialistischer Städteplanung hin zu Marktwirtschaft und Kapitalismus in den verschiedensten Ausprägungen, erörtert am Beispiel von Sofia und Dresden.
Zweifelsohne wirft der ganze Themenbereich Fragestellungen auf. Wer findet in Zeiten der Gewinnorientierung als höchstem Gut die Balance zwischen öffentlichen und privaten Interessen bei Planung und Verwendung von Stadtgebieten als eigentlich angestammt öffentlichem Raum? Kann es ausschließliche Aufgabe von Städten und Kommunen in ihrem politischen Engagement sein, Rahmenbedingungen zu schaffen für das Agieren privater Unternehmen und Interessensvertreter auf der Suche nach Möglichkeiten, die Kosten des eigenen Erfolges möglichst weitreichend auf die Allgemeinheit umzulagern? Welche Städtebilder entstehen, wenn in den Innenbereichen und Fußgängerzonen lokale, typische Wirtschafts- und Geschäftsformen mehr und mehr verdrängt werden durch gesichtslose Filialen globaler Unternehmen mit global uniformen, marketing-genormten Produktpaletten? Wohin führt der Balance-Akt konkret von Städten wie Dresden zwischen “Silicon Saxony” und dem Bestreben, tourismuskonform die gesamte Altstadt “einzufrieren” und das ewige Weiterbestehen der sächsischen Monarchie zu simulieren?
Aber vermutlich sind diese Fragen hinfällig. Nur einen Steinwurf vom KHD nähert sich das Quartier Frauenkirche seiner Fertigstellung direkt nebem Deutschlands einstmalst prominentestem Anti-Kriegs-Mahnmal – ein auf alt getrimmtes High-Tech – Gebäude als neue Wandelmeile für spezielle Stadtgäste zwischen Kempinski und Hilton, und zugleich eine Kapitulation aktueller Architektur vor dem verklärten Blick auf eine heile, barocke Altstadtwelt. Und gegenüber, jenseits der Brücke, inmitten einer von vielen Feierlichkeiten zum 800. Geburtstag der Stadt, spielen Kinder vor einer übergroßen Toys-R-Us – Wand Memory mit Postern und Logos von Energizer, Lego und Fisher-Price. Fortsetzung von Prägung und “branded immersion” mit anderen Mitteln und noch ein Beispiel für die Wechselwirkungen von öffentlichem und privaten Interessen im Stadtraum, von Änderungen vor den dahinbröckelnden, noch unsanierten Fassaden der Hauptstraße-Neubauten und den neuen Geschäftsfronten, dem alten und dem neuen Dresden.