Killerspiele und Aktionismus
Manche Dinge sind doch (glücklicherweise?) beständig wie Ebbe und Flut. Und so war auch abzusehen, daß der Amoklauf in Emsdetten die übliche Argumentation nach sich ziehen würde: Killerspiele sind böse, weil sie die Gewaltschwelle herabsetzen und unsere Jugendlichen zu hirnlosen Tötungsmaschinen erziehen. Das Internet ist böse, weil es diesen Maschinen dann hilft, problemlos (illegale?) Waffen zu besorgen und Wissen über die Anfertigung von Bomben zu erwerben (welches strenggenommen auch im Chemie-Unterricht gewonnen werden könnte – den der Schüler vielleicht aber lieber schwänzt, um Killerspiele zu zocken). Differenzierte Betrachtungen etwa des Abschiedsbriefes des Täters bleibt lieber außen vor, weil Aussagen der Art
Das einzigste, was ich intensiv in der Schule beigebracht bekommen habe, war, dass ich ein Verlierer bin”,
die zu bildende Meinung eher ungünstig beeinflussen könnten. Und dieser stumpf – populistisch – aktionistische Ansatz völlig undifferenzierter Berichterstattung und Diskussion zeigt, laut heise.de, Wirkung:
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In einer Erhebung des Sozialforschungsinstituts Forsa im Auftrag des Magazins Stern teilen 72 Prozent der 1007 Befragten diese Ansicht. 26 Prozent knüpfen keinen Zusammen zwischen Videospielen mit gewalttätigen Darstellungen und den Vorgängen an den Schulen. 59 Prozent befürworten demnach den Vorstoß Niedersachsens und Bayerns, “Killerspiele” zu verbieten, 39 Prozent lehnen ein Verkaufsverbot für diese Art Spiele ab.
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Gut. Also können wir uns weiterhin damit auseinandersetzen, den Rauch zu bekämpfen, anstelle wirkliche Probleme zu lösen. Lieber verbieten wir in gutdeutscher Tradition Unbequemes in der Hoffnung, es damit aus dem Sichtfeld zu verbannen, als unsere Heranwachsenden im Umgang damit zu schulen – ungeachtet der völligen Sinnlosigkeit eines solches Unterfangens (anderenfalls sollte man sich die Frage stellen, wieso es auch in Deutschland Jugendliche gibt, die etwa süchtig nach Heroin – mithin einer “verbotenen” Droge – sind…). Lieber schmieden wir neue Gesetze, um Jugendlichen (und perspektivisch vielleicht auch Volljährigen – schließlich war der Amokläufer von Emsdetten ja schon 18 …) “virtuelle Unterhaltungs-Gewalt” zu verbieten, anstelle über sinnvolle Maßnahmen nachzudenken, um unsere Schüler vor realer, alltäglicher Schulhof-Gewalt zu schützen.
Und dann stellt sich natürlich noch die Frage, wann damit begonnen wird, Nachrichtensendungen zu zensieren, um Kinder und Jugendliche abzuhalten von der Vermutung, daß Gewalt zur Lösung von Problemen spätestens in der globalen Welt der “Erwachsenen” ein probates und gern verwendetes Werkzeug ist…
Nachtrag: Einen etwas weniger plakativen Text zum Thema findet der geneigte Leser bei freitag.de (danke an mayo für den Link).