‘Hackertools-Gesetz’ – Zeuge der politischen Parallelgesellschaft?
Bisweilen ereilt mich die Vermutung, daß, abseits der Diskussionen über kulturelle und religiöse Parallelgesellschaften, in unserem Lande mittlerweile auch eine politische Parallelgesellschaft existiert. Offensichtlich wird dies spätestens bei Betrachtung der aktuellen Gesetzgebungsinitiative gegen Computerkriminalität, die letztlich trotz massiver Kritik von Gruppen wie dem Chaos Computer Club (CCC) oder auch der Gesellschaft für Informatik letztlich am 6. Juli diesen Jahres ‘abgenickt’ worden ist. Die Intention für die Gesetzgebung mag ja prinzipiell gut sein, aber wie heißt es so schön? Der Weg zur Hölle ist voller guter Vorsätze.
Und hier zeigt sich für mich eines der eklatantesten Defizite der derzeitigen politischen Arbeit. Letztlich war der Ablauf doch ganz einfach: Irgendjemand hat sicher auch hier einen vermeintlich “guten Vorschlag” ins Rennen geworfen, der (erwartungsgemäß) sofort das Feuer der Kritik sowohl von NGOs als auch von Branchenverbänden auf sich gezogen hat. Doch richtige Diskussion gab es danach eigentlich nicht mehr, wie in so vielen Fällen. Vielmehr hat man einen deutlichen Eindruck: Ist so eine Idee (insbesondere aus dem Themen- / Dunstkreis der neuen Medien und Technologien) erst einmal in die Mühlen der politischen Diskussion geraten, wird das Thema gnadenlos zermahlen in Streitigkeiten der Fraktionen über Formalien und “Beratungen”, die von parteipolitischen Schlagabtauschen dort dominiert werden, wo eigentlich fachliche Aspekte Betonung finden sollten.
An diesem Punkt scheint es für Fachleute, die die inhaltlichen Details derartiger Initiativen kritisieren, gänzlich unmöglich, noch Einfluß auf den Prozeß zu nehmen. Und so müssen die (u.a. in Organisationen wie CCC und GI vertretenen) Vertreter dieser Berufsgruppe, die tagtäglich versuchen, in ihrem Einflußbereich von Computernetzen so etwas wie “Sicherheit” aufrecht zu erhalten, plötzlich erleben, daß ihnen die Arbeit (die ohnehin nicht unbedingt lustig und/oder leicht ist) noch erschwert wird dadurch, daß Berufspolitiker in einem (gut gemeinten, aber selbst bei vorsichtiger Bewertung nur als “naiv” zu bezeichnendem) Anlauf, das “Internet”(?) durch “Verbot von Kriminalität” sicher zu machen, ihnen in Mißverständnis und/oder Unkenntnis der Sachlage die Werkzeuge “verbieten”, die für diese Arbeit essentiell sind. Und warum? Weil der Prozeß der Legislative hier letzlich ein Papier zustandegebracht hat, das, rechtlich und formal sauber erarbeitet und verabschiedet, letztlich doch inhaltlich und fachlich ferner der Realität eigentlich kaum sein könnte. Nicht, daß es an Input von Menschen gefehlt hätte, die diese Nähe zur fachlichen Realität mit Leichtigkeit hätten herstellen können, während man in diesem Fall die Fachkompetenz derer, die letztlich entschieden haben, vermutlich in Frage stellen muß. Aber offensichtlich scheint diese Art von Kommunikation völlig ungeplant und nicht vorgesehen zu sein, scheint der politische Prozeß, erst einmal in Fahrt gekommen, weitestgehend “autark” und abgeschottet vor Einwirkungen von Einflüssen außerhalb des parteipolitischen Betriebes zu geschehen. Das ist irritierend und unschön, zeigt sich aber leider sehr deutlich insbesondere im Hinblick auf alle Themenbereiche, die irgendwie mit Technologie und neuen Medien zu tun haben, seien es Copyright und Urheberrecht, “Hackertools”, Datenschutz, die Voratsdatenhaltung oder auch Dinge wie der berühmt-berüchtigte Bundestrojaner.
Im Endeffekt wird auf diese Weise sehr viel Porzellan zerschlagen, sowohl fachlich (indem fragwürdige Entscheidungen ohne Berücksichtigungen der Betroffenen und/oder wirkliche Diskussion “durchgewinkt werden) als auch politisch (indem damit die, wie es scheint, ohnehin weit verbreitete Meinung zementiert wird, “die da oben würden ohnehin das tun, was sie wollen”). Das kann nicht Sinn und Zweck der Übung sein.
Nachtrag, weil’s zum Thema zu passen scheint wie die sprichwörtliche Faust auf’s Auge: Via netzpolitik.org bin ich auf einen Artikel in der heutigen Online-Ausgabe der taz über Lobbyismus und Technologie gestoßen. Zitat:
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Häufig traf Zulla auf Abgeordneten, die seinen Argumenten offen gegenüber standen, manchmal waren sie kritisch, in einigen Fällen schienen sie mit der jeweiligen Thematik überfordert. “Viele Politiker geben gerne zu, dass sie von dem Thema wenig Ahnung haben, da sie ihre Experten haben, auf die sie sich verlassen”, fasst der Informatiker seine Erfahrungen zusammen. Doch Zulla hat auch eine gesunde Selbsteinschätzung bei der Wirksamkeit seiner Bemühungen: Es gebe zwar Politiker, die die Meinung ihrer innerparteilichen Experten hinterfragen – doch es sei schwer, gegen die Fraktionsdisziplin anzuarbeiten.
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