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Lost in transit.
Moving.
Returning.
You're welcome.

Herbstlichter, Monate später.

Blassblauer Himmel über der Stadt, kleine weiße Wolken, die das letzte noch in den Ästen verbliebene Laub umspielen. Späte Blumen auf nasser Erde im Garten. Die beiden großen, obskuren Pflanzen, die aus dem Vogelfutter des letzten Winters gewachsen sind, welken unter dem immer noch dichten Flieder. Nach ruhigen Sommermonaten kehren vertraute Gäste in die Filme der Kamera zurück: Waschbär, Fuchs, Katzen. Bald wird das Wasser abgestellt, dann fallen Laube und Scholle wieder in jenen ruhigen Schlaf, der bis zum nächsten Frühjahr andauert, Besuche rarer werden lässt, der kleinen begrenzen Natur dort mehr Raum zugesteht. Das neue Dach, größte Investition der letzten Jahre, hat die erste Saison erwartungsgemäß gut überstanden. An einigen Ecken wuchert Hopfen quer durch schütteres Gras, ein neuer Komposthaufen fand Form, an einigen Stellen blättert der Putz von den alten Wänden, und glücklicherweise spenden Forsythie, Kirschbaum, Wicken, Sonnenblumen immer wieder ein verlässlich dichtes Grün, hinter dem man sich auch in hektischen Tagen bei Kaffee, Kuchen, Bier, Brot verstecken kann. Es gibt schlimmere Zufluchten, zweifelsohne, und Zufluchten sind eine gute Sache für die mentale Balance in dieser obskuren Gegenwart. Manchmal sinniert man über merkwürdige Seitenarme der Realität, über bizarre Träume, aus denen man eigentlich irgendwann erwachen muss, aber so richtig passiert nichts dergleichen, fühlt sich stattdessen alles beängstigend wirklich an, fehlt gleichermaßen ein kluger Ausweg, auch nur in den eigenen theoretischen Betrachtungen, aus den verschiedenen Schieflagen und Herausforderungen, auf die man allgegenwärtig trifft.

Ein teilweise schneebedeckter Gebirgszug unter dunklem Himmel. Wolken. Abend.

(Hier sollte ein längerer Passus folgen über die verschiedenen Widrigkeiten dieser Tage, vor denen man Zuflucht suchen will. Aber am Ende wäre der mit meinem seit mindestens Jahresmitte sehr fest umgesetzten Vorsatz kollidiert, Politik nicht im Netz zu thematisieren. Nach viel Enthusiasmus in den Anfangstagen haben die letzten Jahre mindestens ebensoviel Ernüchterung gebracht, was die Wahrnehmung der Eignung digitaler Kanäle für solche Themen betrifft. Die ideale Weltidee war: Dort können Menschen völlig verschiedener Coleur, verschiedener Weltsicht, verschiedener Lebensart und Überzeugung aufeinandertreffen, miteinander kommunizieren, einander wahrnehmen, die Welt dadurch etwas besser machen, dass man einen Raum zur Lösung von Konflikten hat, die man offline gar nicht sieht. Die Realität ist wohl: Menschen richten sich lieber in kleinen, überschaubaren Weltsegmenten mit ihresgleichen ein. Ziehen klare, harte Grenzen zwischen "uns" und "den Anderen". Verfallen dem Glauben, von Empathie und Verständnis für "die Anderen" befreit zu sein, weil ja "wir" schließlich "recht" haben und "die" damit im Unrecht sein müssen. Werfen den "Anderen" kognitive Verzerrungen - Dunning-Kruger, Bestätigungsfehler, ... - vor, augenscheinlich ohne im Entferntesten daran zu denken, dass "wir" durchaus auch nicht gefeit vor diesen Stolperfallen des digitalen Sozialen sind. Verrennen sich in der Annahme, die Welt würde erleuchtet werden, wenn man eigene Standpunkt nur laut und hart genug vorträgt: Gelegentlich, auch im Dresden in 2024, erlebe ich noch, dass etwa Menschen fehlende Sprachkenntnis mit fehlendem Hörvermögen gleichsetzen und Verständigungsprobleme konsequent dadurch lösen wollen, dass man einfach LAUTER SPRICHT; diese Tendenz ist auch in Online-Kommunikationen immer mehr Standard - wenn der Gegenüber nicht versteht, ist er dumm, dann darf und muss er zurechtgewiesen und notfalls auch beleidigt werden, bis er endlich einsieht. Das ist kräftezehrend. Es macht viele Kontakte sinnlos, weil Diskussion nichts bringt, wenn jeder Teilnehmer mit der Erwartungshaltung  für sich auftritt, gehört zu werden, die Welt zu erklären und zu überzeugen, statt zuzuhören und zu reflektieren. Es vertieft die Gräben, weil sich alle zunehmend unverstanden, nicht respektiert, nicht wahrgenommen fühlen und irgendwann nur noch Zorn und Hass aufeinander bleibt. Die Folgen sehen wir, aber richtige Ideen dagegen haben wir nicht. Oder wir wollen sie nicht. All das ist zutiefst unbefriedigend. Und verstörend.)

Blick über die Dächer von Prag in Richtung Fernsehturm

Indes, insofern, andere, fernere Zufluchten, in diesem Jahr: Urlaub verschoben in spätere Zeiten. Italien als wiederkehrender Sehnsuchtsort, viel mehr, als man es sich selbst vielleicht eingesteht. Und Kontraste: Die Dolomiten, Wanderungen durch Hochgebirge. Überquerung des Brenner, das vertraute Bild etwas abgenutzterer Autobahnen mit rostigen Leitplanken. Auf den höheren Gipfeln liegt Schnee. Serpentinenfahrt über andere Pass-Straßen, Unterbringung in Regionen, die um diese Jahreszeit zwischen Sommer und Winter nahezu touristenleer sind, in denen Infrastruktur schläft und man ungeplant, aber nicht unwillkommen allein sein kann. Durchmessen von Wald, Wiese und Stein, mit robusten Schuhen und sowohl Strecke als auch Höhe trotzend. Vorsichtige Grenzerfahrung, balancierend zwischen Ambition und Möglichkeiten. Vielleicht wagt man das nächste Mal mehr. So wird auch die Liste der Reiseziele länger, die man eigentlich unbedingt nochmal aufsuchen, noch einmal weiter erkunden möchte. Dorthin gehört auch Venedig, "la serenissima", die alte und einzigartige Stadt. Bislang noch einmal besucht, für einen Tag in später Schulzeit, und in Erinnerung geblieben als lautes, überfülltes Durcheinander, das man besser meidet. Der zweite Eindruck, mit etwas mehr Zeit gewonnen, bleibt deutlich wohlwollender, und hier noch mehr die Erkenntnis, dass man nur einen Bruchteil dessen zu sehen vermochte, was interessant gewesen wäre, und die Reise Wiederholung bräuchte. Es dauert nicht lang, bis Straßen, Kanäle, Brücken vertraut sind, bis man seine Ziele und Wege findet, und auch, bis man seine Taschen wieder zurück zur Fähre trägt und Stadt, Land hinter sich lässt. Bepackt mit Bildern, Gedanken, verloren aber auch im für beide Gegenden gemeinsamen Thema "Übertourismus": Die vollen engen Straßen und von Touristen überfluteten Plätze an der Lagune (an der zumindest die großen Kreuzfahrtschiffe mittlerweile keinen Platz mehr haben dürfen). Die lauten und überheblichen Reisenden, die von Ort zu Ort eilen, sich selbst vor der nächsten Sehenswürdigkeit zu fotografieren, um auch schon weiterzuziehen, ohne wirklich wahrzunehmen. Die Kilometer von Aufzügen an gut präparierten Skipisten, die Schneekanonen und Wasservorräte für diesen Zweck. Orte, die man gern wiedersehen möchte. Orte, bei denen man gleichermaßen weiß, dass ihnen diese Art Aufmerksamkeit über kurz oder lang heftig schadet. Und man wird sehr still dabei, und sehr dankbar für das, was man erleben durfte.

Venedig: Türme des Markusdomes spiegeln sich in Wasser auf dem Platz.

Entlang des Weges, wie man immer wieder lernt: Die merkwürdigen Erkenntnisse aus Urlaub und Technologie. Der Moment, in dem der letzte Schritt der Reise Kontakt auf ganz bestimmten Kanälen selbstverständlich voraussetzt und man dankbar ist, dass sich jemand in der Gruppe noch allen Agitationsversuchen widersetzt und an WhatsApp festgehalten hat, ungeachtet der Frage, wie viel "besser" alle anderen Messenger vermutlich sind. Oder auch: Scheitern daran, im Umfeld ein gutes Restaurant oder einen brauchbaren Espresso mittels privatsphärenschonender, offener Karten-App zu finden, weil man auf Google Maps verzichten will. Für eine Weile kann man das Thema in der Diskussion noch einfangen mit windigen Argumenten bezüglich der grundsätzlich fragwürdigen Verlässlichkeit von Bewertungen aller Art in Online-Portalen, aber spätestens wenn der einzige eigene Gegenvorschlag vor saisonal geschlossene Türen führt, was die eigene Datenbasis offensichtlich nicht wusste, zerbricht diese Diskussion ganz schnell. (Kein Plädoyer für geschlossene, finstere Technologien, die unreguliert und unkontrolliert Nutzerdaten sammeln und damit potentiell fragwürdige Dinge tun. Eher ein Plädoyer in Richtung der offenen Communities, dass in den allermeisten Fällen gute Eignung für bestimmte Zwecke eine sehr viel dominantere Anforderung an Werkzeuge ist - und die Wahl bestimmter Tools in vielen Fällen eben mehr als nur Denkfaulheit oder Bequemlichkeit. TornadoGuard lässt grüßen. Dummerweise braucht das Strukturen, Organisation, Zusammenarbeit und Plan und Ziel weit mehr als nur technologische Begeisterung und "einfach-mal-probieren"-Ratschläge.) 

Dazu passend, ein wenig Aufräumen im technischen Selbst, eher gedanklich, während des Urlaubs: Vorsichtige Trennung von einigen förderierten Accounts. Zumindest als: Abgemeldet, keine akute Kommunikation mehr, dort. Weniger Spielerei. Andere Bewertung der eigenen Zeit, die man für solche Dinge investieren nicht will, sondern muss, damit sie halbwegs funktionieren. Andere Bewertung der Zeit und Kraft derer, mit denen man interagiert und die potentiell klarkommen müssen, diesselben Nachrichten von <n> verschiedenen Accounts in ihrer Timeline zu sehen, Antworten auf unsichtbare Kommentare zu lesen, keine Antworten auf Antworten zu bekommen. Immer mehr Skepsis gegenüber dem ActivityPub-Fediverse, dem Multifunktionstaschenmesser unter den Netzwerken: Einem System, das darauf optimiert ist, alles - Foto-Sharing, Microblogging, Macroblogging, Audio-Hosting, Video-Hosting, ... - irgendwie zu können und dabei in nichts davon wirklich richtig gut ist. Reibungsverluste durch überbordende Auswahl aus Software, Diensten, Instanzen, mobile Apps in verschiedenster Stufe der Reife und geplanter Weiterentwicklung, bei denen die Entscheidung oft nicht die für die wirklich beste, sondern für die am wenigsten holprige Alternative bleibt, und bei der dieser Entscheidungsprozess nur allzu oft neu angestoßen wird, weil man merkt, dass die Dinge, an denen man wöchentlich, teilweise täglich hängen bleibt und die man nicht wirklich gebessert bekommt, dann doch lästig genug sind, um sie eigentlich nicht hinnehmen zu wollen. Das Schlimmste daran: Es ist leider verständlich, wenn Menschen, die Technologie "nur" für bestimmte Zwecke nutzen wollen, dort nicht heimisch werden oder sich sehr hart auf Einzelaspekte wie "Mastodon" beschränken. Das Fediverse als Netzwerk diverser Plattformen zu beherrschen fordert viel Zeit. Einmalig für Lernen und Verstehen, wie die Dinge zusammenspielen, welche Systeme wie miteinander interagieren können, welche Eigenschaften und Einschränkungen diese haben, ... . Und andauernd, etwa um von Fall zu Fall zu verstehen, warum Kommunikation mit Menschen von dieser Plattform anders funktioniert als mit Menschen von jener, um zu wissen, mit wem man darüber sprechen muss, um diese Probleme abzustellen, und um aktiv und teilweise auch hartnäckig dran zu bleiben, dass sich das irgendwann bessert. Manche dieser Reibungsverluste sind prinzipbedingt in verteilten heterogenen Systemen. Aber vieles davon ließe sich sicher besser abstrahieren, für den Nutzer zugänglicher und schmerzfreier gestalten. Vieles davon ließe sich "menschlicher" umsetzen, wenn diese Themen denn Priorität hätten. Haben sie aber anscheinend nicht.

Blick über einen Weinberg

Ein weiteres Plädoyer für Technologie, die geeignet ist, bestimmte funktionale Anforderung für viele zu erfüllen, siehe oben. Oder alternativ eben: Akzeptieren, dass man eine technische Nische bedient: Menschen, die imstande und willens sind, sich derart detailliert mit den Dingen zu beschäftigen - annahmeweise ist diese Zielgruppe größenmäßig sehr begrenzt und im Fediverse schon vollumfänglich vertreten, genau so wie sie es früher in Newsgroups oder auf Mailinglisten war. In diesem Zusammenhang erinnere ich mich auch manchmal an die gern zitierten Netiquette-Regeln aus den Zeiten der Mail-Kommunikation. Als eine wiederkehrende Anfoderung war dort fast immer festgeschrieben, dass Mails Reintext sein mögen, kein HTML und keine Bilder, mit einer Zeilenlänge von maximal 70, besser 68 Zeichen, weil sichergestellt werden sollte, dass absolut jeder, der an diesem Kanal teilnimmt, die Nachrichten einigermaßen gut lesen kann. Auf härter geführten Kanälen dieser Art war das auch schon mal Anlass zu Moderation oder Ausschluss. Mit den neueren Netzwerken scheint man sich von solchen Philosophien eher zu entfernen: Du siehst keine formatierten Posts? Du siehst die Bilder nur als Anhänge und nicht im Text? Deine Schuld, Deine Software kann das nicht, will das nicht können, such Dir halt bessere! Allgemeiner: Nutze, was Deine Plattform hergibt - ob und wie das für die anderen funktioniert, ist eben deren Problem, warum sollte man sich selbst deswegen einschränken?  Keine richtig schöne Realität - aber vielleicht die einzige wirkliche Schlussfolgerung, die man insgesamt ziehen kann? (Halb dazugehörende Randnotiz: In den letzten Monaten habe ich häufiger Bluesky oder Tumblr als Mastodon und Mastodon häufiger als das Fediverse empfohlen für Menschen, die von den großen Plattformen weg wollten. Und manchmal, häufiger, nehme ich die Reibungsverluste im Fediverse schulterzuckend zur Kenntnis, schreibe keine Tickets mehr, investiere nicht mehr viel Kraft, akzeptiere, dass die Dinge eben genau so holprig bleiben werden, weil die Projekte allesamt auch nicht genügend Zeit und Energie und andere Prioritäten haben. Das fühlt sich sehr komisch an.)

Themenbruch ohne Überleitung: Musik. Weiter im Verlauf der Jahreszeiten, immer wieder die Erkenntnis, wie sehr manche Stilrichtungen sich an Monaten verankern, und wie sehr sich "neue" Musik an Stimmungslagen klebt, in denen man sie entdeckt hat. In die Rubrik "Herbstmusik" gehören seit langem schon Wolves In The Throne Room, deren "Crypt Of Ancestral Knowledge" ich im vorigen Jahr völlig unverständlich übersehen habe. Dicht wie immer, stark wie immer. Irgendwann in diesem Dunstkreis und Kaninchenbau verschwindend und über das "Cascadian Midsummer" Festival stolpernd, fanden sich jede Menge interessante Bands und Veröffentlichungen, die sich ebenfalls gut in der goldgrauen Jahreszeit einordnen. Etwa:  "Avifauna" von Fauna - ein älteres Album und eine seltsame Mischung aus Ambient, Doom, Black Metal und Lärm. Oder "Aporia​:​K​ā​la​:​Ananta" von Wolvserpent, ein einzelner, vierzigminütiger Ambient-Post-Metal-Trip, in dem man langsam verschwindet. Oder "Outsiders" von Black Mare, das gewisse Parallelen zu Chelsea Wolfe wohl nicht leugnen wird, aber insgesamt etwas geradliniger, rockiger wirkt. Viel Klang für Tage und Nächte zwischen Garten und Arbeit und Ferne. Insbesondere aber intensiv gespielt seit einigen Monaten schon, und stilistisch völlig anders gelagert: MØAA aus Seattle. Chucks und Karohemd, menschenleere Großstädte bei Nacht, Zigaretten im Park, Gitarren, warme Synths. Vielleicht zu viel Nostalgie, aber irgendwie funktioniert die Mischung gut.

Apropos Musik: Vorsichtige Kontakte mit Musikstreaming im verstreichendenden Sommer. Bislang habe ich mich diesen Diensten aus einer Vielzahl von Gründen sehr konsequent verschlossen, aber manchmal stört es, sich an Musik zu erinnern, die irgendwo in den Tiefen eines CD-Regals vergraben liegt und die man gerade in dem Moment, in dem man sie bräuchte, nicht zur Hand hat. Viele Wünsche, die sofort dazukommen, etwa: Playlists zu erstellen und vielleicht auch zu teilen. Idealerweise auch mit Menschen, die keinen Account bei dem bewussten Dienst haben oder kaufen müssen. Gelernt: Der Markt ist groß und nicht schön. Spotify geht für mich nicht, dafür schimpfen zu viele Musiker, mit denen ich irgendwie interagiere, zu sehr über deren Marktdominanz bei gleichzeitig verschwindend geringen Erlösen. Amazon Music geht nicht, weil Amazon. YouTube Music fühlt sich falsch an, weil Google, und weil verknüpft mit dem dortigen Account. Irgendwann blieb Soundcloud in der bezahlten Variante der am wenigsten schmerzhafteste Schritt, weil ich den Service ohnehin schon für bestimmte Arten von Musik nutze. Wochen später bleibt eine merkwürdige Erfahrungskurve und das Bauchgefühl, diesen Schritt wieder zurück zu gehen. Die eine Rechnung: Im Vergleich zur Idee, alle eigenen CDs zu digitalisieren und (idealerweise noch online) verfügbar zu halten, samt Software und Storage und Zeit, wird absehbar teurer als ein Monatsabo für einen Dienst wie Soundcloud Go+ oder auch Tidal. Die andere Rechnung, und ein merkwürdiges Selbstgefühl: Am Ende kaufe ich neue Musik, die mir wichtig ist, bei Bandcamp nach wie vor als Download oder Medium. Podcasts höre ich über AntennaPod direkt von der Quelle und dafür ist Soundcloud auch nicht der geeignete Kanal. In Soundcloud ist der Fokus auf Neuentdeckung sehr stark und dabei der Fokus auf Songs, nicht Alben. Und am Ende ertappe ich mich doch dabei, den Dienst viel und in vielen Facetten nutzen zu wollen, damit sich das Geld lohnt, aber so viel Zeit für den Genuss von Musik bleibt im täglichen Leben nicht, also endet es in einem Skippen durch Playlists und Freude eher darüber, dass man all diese Tracks griffbereit hat, als wirkliche Freude an der Musik selbst. Vielleicht ist diese beständige Verfügbarkeit von allem nicht gut und entwertet sowohl Zeit als auch Musik. Und vielleicht ist das auch nur sehr subjektiv.

Mehr bleibt nicht zu sagen. Das heißt, eigentlich doch. Nur was? Der letzte geordnete Blick hier, in den Ostseewinter, liegt nun bald zwei Jahre, auf jeden Fall zwei Sommer zurück, nachdem irgendwann aus einem monatlichen ein zweimonatlicher Takt geworden war, der dann eingeschlafen ist. Dazwischen liegt Zeit, liegen viele, mehr oder weniger strukturierte Erinnerungen, Bilder, Gedanken: Andere Städte. Menschen. Wanderungen in Nähe und Ferne. Bahnfahrten, das Ringen mit Infrastruktur dienstlich und privat. Ein paar hundert geschlossene Tickets, ein paar hundert neu eröffnete Tasks, unzählige Stunden Telefonkonferenzen mit mehr oder weniger entspannten anderen Enden, ein Wachsen und Eingewöhnen in einer neuen Rolle, die jetzt schon gar nicht mehr so neu ist und sich trotzdem insbesondere dann manchmal noch fremd anfühlt, wenn man länger innehält und Abstand bekommt. Jede Menge lichte Momente, jede Menge obskure Sorgen, von denen manche schneller, andere langsamer verfliegen und manche bleiben. Viele Gespräche mit Maschinen, manche Einsicht amüsant, manche überraschend. Viele kurzlebige Empörungen, die durch virtuelle oder tatsächliche Dörfer getrieben werden. Viele kluge Konzepte, wenig Kraft. Jede Menge Ratlosigkeit, jede Menge Abgleiten in Gleichgültigkeit, an manchen Stellen immer noch Enthusiasmus, punktuell Hoffnung, viel Zweifel und, stellenweise und verwandt, Verzweifeln. An dieser speziellen hat diesbezüglich bislang wenig gefehlt; die Tage finden unverändert ihre Historie "hier, drüben", die langen Texte sind ebenso schwer zu schreiben wie zu lesen, weil man sich an allen Ecken und Enden in Details unklarer Relevanz verheddert und Gefahr läuft, trotzdem immer wieder an denselben Themen hängenzubleiben. 

"If I write what I feel, it's to reduce the fever of feeling. What I confess is unimportant, because everything is unimportant."

(Fernando Pessoa, The Book Of Disquiet)

Vielleicht fühlte es sich temporär besser an, einmal wieder mehr Worte zu finden und sich dafür mehr Zeit zu nehmen; hier kamen Gedanken über Wochen zusammen und benötigten die Leere zwischen den Stunden einer weiteren Woche, um Struktur zu werden. Vielleicht ist das Gefühl von Dauer, vielleicht auch nicht. Vielleicht haben die Tage manchmal zu viel Eile und dankenswerte Gleichheit, vielleicht bedeutet das langsame Sammeln mehr Fokus und Sorgfalt. Vielleicht ist all das genau so unwichtig und letztlich belanglos wie all die anderen Schnipsel, die hier und andernorts zu liegen kommen, und das Ergebnis wie auch der Weg dorthin nur aus reinem Egoismus für mich interessant - und möglicherweise reicht das auch... . Vielen Dank für die Geduld bis hier; passt auf Euch und die Euren auf.🙂

21. Oktober 2024

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